
Der holprige Weg bis zur Erkenntnis der Benefits einer Hormonersatztherapie
Bericht:
Mag. Dr. med. Anita Schreiberhuber
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Bis die Hormonersatztherapie (HRT) erfolgreich zum Einsatz kommen konnte, war es ein langer Weg. Die Heterogenität der Teilnehmerinnen in der World-Health-Initiative-Studie und deren Einschlusskriterien – die Frauen durften keine Beschwerden aufgrund der Menopause haben – haben entscheidend dazu beigetragen, dass vielen Frauen für lange Zeit die Benefits einer HRT vorenthalten blieben.
Prim. a.D. Dr. med. Hans Concin, Bregenz, referierte am Menopausekongress 2024 in Wien über die Historie der menopausalen Hormontherapie und beleuchtete dabei im Besonderen die völlig irrationalen Einschlusskriterien bei der WHI-Studie und die daraus resultierenden niederschmetternden Ergebnisse.
«Es hat lange gedauert, bis die Effekte der Hormonsubstitution in der Menopause wissenschaftlich untersucht worden sind», berichtete Concin und bezog sich dabei auf die von der Harvard Medical School und dem Brigham and Women’s Hospital durchgeführte Nurses’ Health Study, deren Ergebnisse 1985 publiziert worden sind. An dieser prospektiven Studie nahmen 121964weibliche Krankenschwestern im Alter zwischen 30 und 55 Jahren teil, bei denen eine Indikation für eine HRT vorlag. Bei den 32317 Teilnehmerinnen, die menopausal waren, wurde nachgewiesen, dass nach Altersadjustierung im Vergleich zu Frauen, die niemals eine HRT erhielten, das relative Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK) um 50% signifikant niedriger und somit halbiert war (p=0,007).1
Die Nurses’ Health Study wurde fortgesetzt und nach 19 Jahren prospektiver Evaluierung waren nach Adjustierung von Variablen wie Alter, Menarche, Cholesterin, Blutdruck etc. 3637 Todesfälle auf 10 Kontrollen verzeichnet worden. Zudem konnte festgestellt werden, dass die HRT zu einer signifikanten Risikoreduktion (RR) bezüglich sämtlicher Krebsarten geführt hat. Nur für das Mammakarzinom (BC) wurde knapp die statistische Signifikanz für eine RR verfehlt.2«Diese hervorragenden Ergebnisse haben dazu geführt, dass noch häufiger eine HRT verabreicht wurde», ergänzte Concin.
Dass unter einer HRT auch schon mit einer niedrigen Östradioldosis positiv im Sinne einer Förderung der Kalziumaufnahme auf die Knochendichte eingewirkt werden kann, wurde ebenfalls bereits im Jahr 1992 nachgewiesen.3
Notelovitz et al. haben im Jahr 2000 im Rahmen einer 12-wöchigen Studie an 333 Frauen den dosisabhängigen Effekt von Östradiol in der Reduktion von Menopause-assoziierten moderaten bis schweren Hot Flashes vs. Placebo (PBO) gezeigt. Dieser war auch in geringen Dosen ab 0,5mg/ Tag (d) signifikant (p<0,001, Abb. 1)). Die Inzidenz von Nebenwirkungen (AE), die zum Abbruch der HRT geführt haben, lag im PBO-Arm mit 8% über dem prozentualen Teil, der unter niedrigen Östradioldosen verzeichnet worden ist.4 Dies könnte laut Concin dadurch erklärt werden, dass die AE unter niedrigen Dosen durch die positiven Östradioleffekte überlagert worden sind.
Abb. 1: Einfluss der Östradioldosis auf die Hot Flashes – signifikante Überlegenheit vs. Placebo bereits ab Dosen von 0,5mg/Tag (modifiziert nach Notelovitz M et al.)4
WHI-Studie – das Desaster
Die Ergebnisse der World-Health-Initiative(WHI)-Studie, die im Jahr 2002 publiziert worden waren, haben dazu geführt, dass die HRT für viele Jahre in Verruf geraten ist. Die Patientinnen (n=16608) erhielten konjugiertes equines Östrogen (CEE; 0,652mg/d) + Medroxyprogesteronacetat (MPA; 2,5mg/d) bzw. PBO. Hysterektomierte Patientinnen erhielten CEE als Monotherapie bzw. PBO. Als primärer Endpunkt war die Inzidenz von KHK (nicht letaler Myokardinfarkt, KHK-bedingte Mortalität) und invasivem BC definiert. Pro 10000 Personenjahre wurde ein erhöhtes absolutes Risiko für KHK-bedingte Ereignisse und Pulmonalembolien um 7 Fälle, für invasiven BC und für Schlaganfälle um 8 Fälle und für venöse Thromboembolien um 18 Fälle identifiziert, die auf die Einnahme von CEE + MPA zurückzuführen waren (medianes Follow-up: 5,2 Jahre). Die Studie wurde aufgrund dieser negativen Ergebnisse vorzeitig abgebrochen.5
Fakt ist, dass an der Studie nur postmenopausale Frauen im Alter von 50–79 Jahren teilnehmen durften, die keinerlei Menopausebeschwerden hatten.5«Das ist, wie wenn bei einer Diabetesstudie keine Diabetiker:innen eingeschlossen werden dürften», unterstrich Concin das miserable Studiendesign der WHI-Studie. «Ausserdem war nur ein geringer Teil gerade erst in der Menopause, der Grossteil aber schon sehr lange», erläuterte Concin.
Subgruppenanalysen führen zu Neuinterpretation
Erst eine 2016 durchgeführte Subgruppenanalyse der 50–59-Jährigen hat die initial falsche Interpretation der WHI-Ergebnisse ans Licht gebracht: Nicht nur, dass die Teilnehmerinnen keine Menopausebeschwerden hatten, sie waren zudem zu übergewichtig und/oder zu morbid (Diabetes, Bluthochdruck etc.) und die verabreichten Östrogene waren künstlich (equin) und somit nicht bioident, um nur einige Gründe zu nennen, weshalb die Studienergebnisse dazu geführt haben, dass die HRT für viele Jahre mit einem schlechten Ruf behaftet war.6
Weitere Effekte einer HRT
Em. Prof. Dr. med. Martin Birkhäuser, ehem. Prof. an der Universität Bern, präsentierte in seinem Vortrag u.a. weitere Subanalysen aus der WHI-Studie, aus denen die protektiven Effekte von Östrogen hervorgehen.
Die Insulinsensitivität ist bei postmenopausalen Frauen aufgrund von Östrogenentzug niedriger als bei prämenopausalen8 und dementsprechend ist nach Eintritt in die Menopause eine Zunahme an Diabetes-Typ-2(DMT2)-Diagnosen zu verzeichnen.9
In einer Subanalyse der WHI-Studie zur «CEEonly»-Gruppe konnte gezeigt werden, dass vs. PBO eine signifikante Reduktion der DMT2-Diagnosen erzielt werden konnte (p=0,072).10
Auch beim Vergleich der Einnahme von CEE + MPA vs. PBO fiel der Unterschied zugunsten der HRT signifikant aus (p=0,004).11
Eine Östrogendefizienz dürfte auch für das Ansteigen des Blutdrucks bei Frauen in der Menopause verantwortlich sein.12 Brownley et al. haben die Effekte einer CEE-Gabe auf den Blutdruck bei Frauen, die ≥5 vs. <5 Jahren postmenopausal waren, vs. PBO in einer sechs Monate dauernden doppelblinden Studie untersucht. Sowohl vs. die CEE-Einnahme ≥5 Jahre als auch vs. PBO wurden bei der CEE-Einnahme <5 Jahren eine signifikante Reduktion der Blutdruckwerte (beide p-Werte <0,001) und ein Trend zu einer verminderten vaskulären Resistenz nachgewiesen.13
Vergleichbare Ergebnisse konnten bei transdermaler Applikation von Östradiol bei Frauen, die seit 2–5 Jahren in der Menopause waren, beobachtet werden.12
Was ist nun der richtige Zeitpunkt für die Initiierung einer HRT, um das Risiko für eine KHK zu reduzieren? Grodstein et al. haben eine Untersuchung zur Assoziation zwischen HRT-Initiierung in Relation zum Alter und Eintritt der Menopause und dem Risiko für eine KHK durchgeführt und dazu die Daten der postmenopausalen Frauen aus der Nurses’ Health Study herangezogen:14 Frauen, die die HRT zur Menopause gestartet haben, wiesen ein signifikant geringeres Risiko für eine KHK auf (RR: 0,66 für Östrogen alleine; RR: 0,72 für Östrogen + Progestin). In der Subgruppe von Frauen, die demografisch jenen der WHI-Studie ähnelten, fand sich keine signifikante Assoziation zwischen HRT und KHK bei jenen Frauen, die die HRT ≥10 Jahre nach Beginn der Menopause starteten. Dasselbe traf auf Frauen zu, bei denen die HRT in einem höheren Alter initiiert wurde (Abb. 2). Birkhäuser sprach in diesem Kontext von einem «window of opportunity», also der Zeitspanne, in der die Initiierung einer HRT möglicherweise entscheidend für die Prävention einer KHK ist.
Abb. 2: Zeitpunkt der Hormoninitiierung in Hinsicht auf das Alter exklusive postmenopausaler Frauen mit prävalenter KHK(modifiziert nach Grodstein F et al.)14
Quelle:
Menopausekongress 2024, 5.–7. Dezember, Wien
Literatur:
1 Stampfer MJ et al.: N Engl J Med 1985; 313: 1044-9 2 Grodstein F et al.: N Engl J Med 1997; 336: 1769-76 3 Ettinger B et al.: Am J Obstet Gynecol 1992; 166: 479-88 4 Notelovitz M et al.: Obstet Gynecol 2000; 95: 726-31 5 Rossouw JE et al.: JAMA 2002; 288: 321-33 6 Manson JAE, Kaunitz AM: N Engl J Med 2016;374:803-6 7 https://www.oprahdaily.com/life/health/a43327739/life-you-want-menopause / 8 Lindheim SR et al.: J Soc Gynecol Investig 1994; 1: 150-4 9 Mauvais-Jarvis F et al.: Endocr Rev 2017; 38: 173-88 10 Bonds DE et al.: Diabetologica 2006; 49: 459-68 11 Margolis KL et al.: Diabetologica 2004; 47: 1175-87 12 Mercuro G et al.: Am J Hypertens 1998; 11: 909-14 13 Brownley KA et al.: Am J Obstet Gynecol 2004; 190: 1052-8 14 Grodstein F et al.: J Womens Health 2006; 15: 35-44
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